Interview mit Philip Reitsperger zum Gewinn des Red Dot Awards.

von | Nov 2, 2023

In diesem Interview spricht Philip Reitsperger über seine Inspirationsquellen, die Herausforderungen bei der Entwicklung der Website, die mit dem Red Dot ausgezeichnet wurde und über seine Gedanken über den Gewinn eines der weltweit renommiertesten Designpreise.

Philips klare Sicht auf Design als Medium zur Erzählung sinnvoller Geschichten und seine unerschütterliche Hingabe an Authentizität und Qualität lassen uns tief in die Welt von Identity Lab eintauchen.

 

Philip Reitsperger im Studio Identity Lab.

Was hat das Konzept und Design hinter www.identitylab.at inspiriert, und wie seid ihr auf den Ansatz gekommen?

Der Inhalt und das Angebot hinter unserem Studio ist das Resultat meiner zwei Ausbildungswege, Kommunikationsdesign und Innovationsmanagement. Wir stellen den Anspruch, nicht nur spannende und interessante Geschichten zu erzählen und zu zeigen, sondern diese auch zu finden und erfinden.

Visuelle Gestaltung war für mich immer schon mehr die Suche nach Inhalten denn nach der Form. Denn nur wenn Inhalt, Erzähltempo und Raum zusammen passen – dann macht eine Geschichte Sinn und ist anschlussfähig. Sie erzeugt Resonanz.

Durch diese Herangehensweise war das Design unserer Website einfach und das Konzept schnell klar. Einfach gesagt, die Website ist auf ihren Inhalten entstanden. Man könnte es als kontrollierten Wachstumsprozess beschreiben. Wir haben nicht versucht, irgendetwas zu erfinden, sondern es aus sich selbst entstehen zu lassen. So hat ein Gedanke zu einer Animation zu einer Geschichte zu meinem neuen Gedanken geführt und raus kam die Website.

Wie fühlt es sich an, einen der prestigeträchtigsten Designpreise der Welt zu gewinnen, und was bedeutet diese Anerkennung für dich und Identity Lab?

Um ehrlich zu sein, das hätte nicht passieren dürfen. Wir sind ein kleines, sehr spezialisiertes Team, in dem viele verschiedene Tätigkeiten und Arbeitsschritte von wenigen übernommen werden. Diese Auszeichnungen freut mich sehr, denn sie zeigt, dass auch kleine agile Einheiten genau so oder vielleicht so gar besser funktionieren können als aufgeblähte Designstudios.

Wir arbeiten anders. Persönlicher und agiler und unterwerfen uns nicht dem oft leidvollen Agenturleben zwischen Prekariat und 80 h-Stunden Wochen. So gesehen ein Preis für alle, die sich der ausbeuterischen Kreativbranche entgegensetzten.

Für mich ist der Preis die Bestätigung, dass der Weg bisher richtig war,… wenn man so etwas mal gewonnen hat ,… dann kann man etwas Neues machen. Der nächste Preis wird nicht so wichtig sein und es ist sehr schön, gleich mit dem Red Dot zu starten.

Kannst du die Arbeitsweise von Identity Lab näher erläutern und wie sie sich von anderen Studios unterscheidet?

Wie sich unsere Arbeitsweise unterscheidet … ? Naja, das kann ich wohl nur zum Teil erläutern, denn ich selbst habe nur wenig Erfahrung mit der Arbeit anderer Designstudios gesammelt. Ich habe nach meiner Ausbildung schnell entschlossen, meinen eigenen Weg zu gehen.

Ich denke, mit der Arbeit von Identity Lab sind wir wesentlich näher an unseren Projekten und Kund:innen dran als andere Agenturen. In der Zusammenarbeit mit Kund:innen bestehen unsere Teams immer aus unternehmensinternen Personen und externen Expter:innen, die wir hinzuziehen. Dadurch ergeben sich agile Entwicklungsteams, mit denen wir Projekte realisieren.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung der Website?

Die Kombination der unterschiedlichen Aufgaben. Zur Erstellung einer solchen Website sind unterschiedlichste Dinge in hoher Qualität zu realisieren. Wir waren, wie gesagt, ein sehr kleines Team und mussten von der Entwicklung der Inhalte, der visuellen Darstellung bis hin zur richtigen technischen Implementierung alles selber abdecken. In diesem Prozess trägt man viele Hüte gleichzeitig – dass ist spannend, aber auch schwierig. Den einen Tag bearbeitet man ein Thema als Text, den anderen kümmert man sich um SEO und Page Speed und wieder darauf geht es um die technische Absicherung.

In der Arbeit an diesem Projekt hast du viele Aufgaben selbst übernommen. Wie war die Zusammenarbeit mit Lawrence Blankenbyl und Gregor Kleczkowski?

Lawrence kam sehr früh zum Projekt hinzu und hat mit mir zusammen basierend auf den ersten grafischen Entwürfen die Animationen erarbeitet. Dabei war Lawrence super, weil er den noch recht undefinierten Kontext der Angelegenheit gut verkraftet hat. Durch die Arbeit mit ihm hat sich so ein erster Entwurf der Website entwickelt.

Gregor hat mich technische bei den Videoaufnahmen unterstützt; viel wichtiger war aber, dass wir viel gesprochen und ausprobiert haben. So sind Themen entstanden, die dann ihren Platz auf der Website gefunden haben.

Mit diesem Preis in der Hand darf man sich die Frage stellen: was steht als Nächstes für Identity Lab an? Wie wird dieser Erfolg Ihre zukünftigen Projekte beeinflussen?

Das ist wirklich eine spannende Frage, denn ich habe keine Ahnung. Mal sehen, was passiert. Auf jeden Fall möchte ich weiterhin Projekte bei Wettbewerben einreichen, die eigenständig und unabhängig Sinn machen. Zukünftig sollten sie aber noch etwas schräger sein. Speculative Digital Communication Design – oder so. 🙂

Welchen Rat würdest du anderen Designern und Studios geben, die einen Red Dot Award gewinnen?

Reicht nur Dinge ein, die wirklich gewinnen können – oder solche, die außerhalb des eingereichten Diskurses stehen.

Abschließend: denkst du, Kommunikationsdesign hat eine positive Rolle in unserer Gesellschaft?

Da bin ich mir nicht sicher … die Entwicklung von Erzählungen und Vermittlung von Information ist eine wichtige und verantwortungsvolle Sache. Wenn ich mir aber den ganzen Mist ansehe, der ständig erzeugt wird … Der dann auf Menschen einprasselt, nur um diese politisch oder in ihrem Konsumverhalten zu kontrollieren, dann wird mir schlecht.

Die ständige Forderung nach der individuellen Selbstverantwortung im Bezug auf die Klimakrise ist zum Beispiel besonderer Bullshit. Wir verkaufen Menschen laufend für deppert, nur um so weiterzumachen wie bisher. Kommunikationsdesign, Werbung, whatever … all das feuert diesen Mist an. Anstatt endlich zu akzeptieren, dass es so nicht weitergehen kann, erzählen wir uns Geschichten von „es darf auch ein bisserl weniger sein“, um uns noch mehr einzuverleiben.

Klar, Kommunikationsdesign kann eine positive Rolle darstellen – es ist schlicht eine Frage, wer es bezahlt.